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Markgröninger Stadtgeschichte im Zeitraffer

Fruchtbare Böden und mildes Klima machten die Markgröninger Markung seit Urzeiten zu einem bevorzugten Siedlungsplatz. Zahlreiche Bodenfunde bestätigen eine kontinuierliche Besiedlung von den Bandkeramikern über die Kelten und Römer bis zu den Alamannen, auf deren Landnahme der Ortsname Grüningen zurückgeführt wird. Zwischen 500 und 746 war der Ort ein fränkisches Bollwerk an einem Eckpunkt der fränkisch-alemannischen Grenze und bis ins Hochmittelalter ein aus dem Glemsgau ausgemarktes Königsgut: Burg und Kommune haben die Könige dem vorzugsweise schwäbischen Träger der Reichssturmfahne als Lehen übergeben. Auf geistlicher Ebene gehörte das Grüninger Landkapitel zum Archidiakonat Trinitatis in der Diözese Speyer.

In den Brennpunkt der Landesgeschichte geriet die 779 erstmals erwähnte und bereits 1226 als Stadt bezeichnete Kommune ab 1273: Als ihr württembergischer Lehensträger und Reichssturmfähnrich, Graf Hartmann II. von Grüningen, und dessen Sohn Hartmann III. von Grüningen sich gegen die Revindikationspolitik König Rudolfs von Habsburg stemmten. Nach jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzungen wurde Graf Hartmann III. 1280 gefangen genommen und starb auf dem Asperg. Seine Halbbrüder mussten darauf die als Eigenbesitz interpretierte und entsprechend ausgebaute Stadt an König Rudolf zurückgeben und 1295 aus Geldnot auch den verbliebenen Familienbesitz in der Stadt mitsamt dem Kirchenpatronat an König Adolf von Nassau veräußern.

Von 1280 bis 1322 war die Stadt reichsunmittelbar, zwischendurch jedoch an Graf Eberhard I. von Württemberg verpfändet. 1322 verlieh sie König Ludwig der Bayer an Konrad von Schlüsselberg. 1336 gelangte Grüningen mit Reichssturmfahne, Burg und Patronat endgültig in die Hand der württembergischen Grafen, die geradezu versessen darauf schienen und deren Besitz auch noch als Herzöge und Könige auf ihren Wappen herausstellten. Als deren Zweitresidenz und Amtsstadt erlebte Grüningen im ausgehenden Mittelalter einen Zweiten Frühling: Die kleine Handelsmetropole stellte die reichste Bürgerschaft Württembergs und mit der Volland-Sippe eines der einflussreichsten Patriziergeschlechter. Das imposante Kauf- und Rathaus, die gotischen Chöre der beiden Kirchen, das Pfründhaus des Spitals, der Landesfruchtkasten und zahlreiche andere Gebäude halten die Erinnerung an diese Blütezeit ebenso wach wie der alljährlich im August stattfindende Schäferlauf.

Wo es Gewinner gibt, finden sich aber auch Verlierer. Und um deren Wohl kümmerte sich der Tübinger Theologe und Grüninger Stadtpfarrer Dr. Reinhard Gaißer: Dieser laut Römer „erste Sozialrevolutionär auf einer württembergischen Kanzel“ rief 1514 den Gemeinen Mann in Grüningen und andernorts zum Aufstand gegen die ungerechte Steuerpolitik Herzog Ulrichs und die frühkapitalistisch agierende Ehrbarkeit auf. Dabei wurde Gaißer zum intellektuellen Kopf des Armen Konrads und als Dekan des Landkapitels Grüningen zum ebenbürtigen Gegenspieler des hiesigen Vogts Philipp Volland.

Kriegsschäden und Bevölkerungsverluste

Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) war Grüningen anfangs nicht direkt vom Kriegsgeschehen betroffen, verlor aber 1626 durch eine Pestwelle 466 Einwohner. Nach der von den Protestanten verlorenen Schlacht bei Nördlingen (1634) und der Flucht Herzogs Eberhard III. von Württemberg ins Straßburger Exil kam der Krieg zur Stadt: Während der Belagerung der Festung Hohenasperg hausten die auf „Selbstversorgung“ angewiesenen kaiserlichen Truppen schonungslos in den umliegenden Kommunen und quetschten die Bevölkerung bis aufs letzte Hemd aus. Wer Folter, Vergewaltigung und Brandschatzung überlebt hatte, sah sich danach mit Hungersnot und Seuchen konfrontiert. 1638 waren noch 40 Bürger in der Stadt, viele Häuser beschädigt oder zerstört.

Nach Kriegsende (1648) konnte die Stadt diesen Tiefschlag durch Zuwanderer insbesondere aus der Schweiz noch leidlich kompensieren. Doch mussten die Grüninger Bürger im Zuge der Franzoseneinfälle während des Pfälzischen und des Spanischen Erbfolgekriegs weitere Zerstörungen, zahllose Plünderungen und Flurschäden durch Besatzungstruppen hinnehmen. Eine 1693 ausgebrochene Hungersnot soll 177 Grüningern das Leben gekostet haben. Um die Bevölkerungsverluste seit 1634 auszugleichen, brauchte die Stadt hundert Jahre.

Bedeutungsverlust durch junge Konkurrenz

Einen unwiederbringlichen und geradezu existenzbedrohenden Bedeutungsverlust leitete schließlich der absolutistische Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg ein: durch den Bau des Ludwigsburger Residenzschlosses (ab 1704), für den die Grüninger Bürger massiv eingespannt wurden, und insbesondere durch die Gründung der Stadt Ludwigsburg (1718) im Grüninger Amtsgebiet, das bis an den Neckar reichte. Damit verlor Markgröningen erst die Funktion als herzogliche Zweitresidenz und Hort der Reichssturmfahne ans Schloss und nach verbissener, bis ins 19. Jahrhundert währender Gegenwehr auch die Funktionen als Obervogtei, Oberamtsstadt, Hochgericht, Dekanat und Kameralamt ans Oberamt bzw. die Stadt Ludwigsburg. Zum Verdruss der Grüninger hatte Herzog Eberhard Ludwig zudem den Schäferlauf, ihr identitätsstiftendes „ältestes Volksfest Württembergs“, viergeteilt: Ab 1723 fanden auch in Heidenheim, Urach und Wildberg Zunfttreffen und Schäferläufe statt. 1724 wurde ein erster Teil des hiesigen Residenzschlosses abgerissen. Im 19. Jahrhundert legten die Markgröninger selbst Hand an ihr kulturhistorisches Erbe. Nach der Spitalkirche wurden drei Stadttore und große Teile der Stadt- und Zwingermauer abgerissen.

Entwicklung im 20. Jahrhundert

Nach hundertjähriger Stagnation, während der zahlreiche Markgröninger mangels Perspektive nach Amerika oder Osteuropa ausgewandert waren, wurde Markgröningen 1915 ans Stromnetz und 1916 doch noch ans Bahnnetz angeschlossen – allerdings nur als Stichbahn von Ludwigsburg realisiert. In den 1920er Jahren löste die Stadt aus Geldnot das „Kinderschüle” und die traditionsreiche Lateinschule auf.

Am 6. April 1933 wurde per Gleichschaltungs-Dekret der Gemeinderat aufgelöst und die kommunale Selbstverwaltung zurechtgestutzt. Bei der am 27. April erfolgten „Neuwahl“ von zehn statt 16 Stadträten stand das Ergebnis von vornherein fest: KPD und SPD waren nicht mehr vertreten. Kurz darauf wurde der zuvor mit 88 Prozent der Stimmen gewählte Bürgermeister Heinrich Zillhardt abgesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die vom Bombardement der Alliierten relativ gering betroffene Stadt zahlreiche „Ausgebombte“, Flüchtlinge und Vertriebene aufzunehmen. Dieser Bevölkerungszuwachs von 3927 (1943) auf 4602 Einwohner (1946) war anfangs nur durch Einquartierung zu bewältigen. Letztlich führte er nicht nur zur Ausweisung neuer Baugebiete, sondern auch zu einer konfessionellen Durchmischung, da die meisten Neubürger katholischen Glaubens waren. Ihrer jungen Kirchengemeinde schenkte die Stadt 1954 die Spitalkirche, deren fehlendes Hauptschiff man durch einen Anbau ersetzte.

Im Zuge der Gemeindereform wurde Unterriexingen am 1. Januar 1973 eingemeindet. Markgröningen hatte zum Stichtag 9902 und Unterriexingen 1889 Einwohner. 1975 stellte die Bundesbahn trotz des Bevölkerungszuwachses in den 1970er Jahren den Personenverkehr auf der Bahnlinie ein. Seit 25 Jahren bemüht sich die Stadt vergeblich um die Reaktivierung der großteils stillgelegten Strecke, deren 100jähriges Jubiläum 2016 ansteht.

Auf Initiative von Naturschützern ging Markgröningen 1989 seine bislang einzige Städtepartnerschaft mit Saint-Martin-de-Crau ein.

Von 1280 bis 1322 war Grüningen freie Reichstadt; hier das Siegel von 1313
Bild: Hermann Römer

Mittelalterliche Stadtbefestigung am Esslinger Tor
Bild: Carl Urban Keller, Quelle: Staatsgalerie Stgt.

Pfarrhaus_Wappen-Kombi_PF_Pilettes

Württembergische Wappen am Pfarrhaus, rechts mit der Reichssturmfahne im dritten Feld (1544) 
Bilder: Peter Fendrich

Das imposante Rathaus steht für den Zweiten Fühling der Stadt im 15. und 16. Jahrhundert
Bild: Peter Fendrich

Gesüdete Karte des Amtsgebiets von Grüningen um 1575 mit den Amtsflecken Pflugfelden, Münchingen, Schwiebertingen, Nippenburg, Oßweil, Pflugfelden, Möglingen, Schloß und Dorf Asperg, Thamm, Bissingen, Saßenheim underm Berg (Untermberg), Zur Eyssern Burg (Egartenhof), Großsaßenheim, Kleinsaßenheim, Zimbern (Metterzimmern) und Sarissen (Sersheim)
Bild: Heinrich Schweickher, Quelle: WLB

Durch die neue Residenz und die Stadtgründung von Ludwigsburg landete Markgröningen im Abseits
Bild: Kjetilho, Wikimedia

Stoppelfeld

Hitlergruß auf dem Stoppelfeld (nach 1933)
Bild: AGD, Nachlass Tomschik